Die Polarität von Dieser Welt und Anderer
Welt spiegelt sich in dem Begriffspaar, zu dem sich die meisten der keltischen
Vorstellungen fügen lassen: Tod (=Zukunft) auf der einen Seite und Mütter
(=Herkunft) auf der anderen.
TOD
Tod war der übliche Eingang der Menschen,
eben der normal Sterblichen, in den Teil der Anderwelt, der ihnen vorbehalten
war (Annwn, Anaon).
Der Eintritt des Todes ist ebenso vorhersagbar
wie dessen Zeitpunkt. Es bestehen also Verbindungen, an Zeichen erkennbare
Zusammenhänge zwischen Anaon und der diesseitigen Welt. Vielleicht wurden von
Anaon aus die Handlungen der Lebenden bestimmt, jedenfalls wurde dort bestimmt,
wer wann zu sterben hatte. Allerdings ist eine Voraussage immer nur in der
zeitlichen Nähe des Ereignisses möglich, nicht zu jeder beliebigen Zeit und
nicht auf lange Sicht.
Eine Fülle von Merkmalen, auf welche der
Kundige, das muss nicht immer der Todgeweihte sein, aufmerksam werden konnte,
zeigt das bevorstehende Sterben an. Darunter zählen nicht nur unübliche
Ereignisse oder mysteriöse, unverstandene Vorgänge, sondern ganz bestimmte,
regelhaft auszulegende Zeichen, welche an Tieren, Pflanzen oder Erscheinungen
anknüpfen.
Eine besondere Gruppe von Erscheinungen sind
die Wäscherinnen der Nacht. Bei ihnen handelt sich um verstorbene
Frauen, die für etwas in ihrem Erdenleben büßen müssen. Die Buße besteht
darin, sich beim Waschen sehen zu lassen, wenn sie ein Sterben anzukündigen
haben.
Daneben sind aber gewissen Einzelpersonen mit
anderweltlichem Wissen ausgesprochene Todesprophezeiungen möglich, ohne dass
sie von sichtbaren Zeichen abhängig wären. Diese Personen, zumeist wohl eher
Mittelgeister als Menschen, erkennen die Verfügungen, welche die Anderwelt
über die Lebenden getroffen hat.
Ein besonders deutlicher Hinweis auf den Tod
ist die Begegnung mit dem Wagen, der den Todgeweihten in die Anderwelt holen
soll. Ob nun Hirsche oder Schwäne diesen Wagen ziehen oder ob er als vom
personifizierten Tod (Knochenmann) gelenkter Karren erscheint - er geht stets
auf die Vorstellung des Abfahrens in die Anderwelt zurück und auf die
Vorstellung, dass der Verstorbene oder seine Seele ins Totenreich geführt
werden muss.
Der Todeszeitpunkt lässt sich mittels
bestimmter Riten voraussagen und ist damit vermutlich Druidenangelegenheit.
Die Todesprophezeiung, das heißt die
Erkenntnis, dass ein Mensch dem baldigen Tode geweiht ist, muss grundsätzlich
unterschieden werden von der Befähigung, die Todesweihung selbst zu verhängen
und den Tod wirksam herbeizuführen. Doch kann der Todesbote aus der Anderwelt
zugleich auch den Auftrag haben, den Tod zu vollziehen. Dies vermochten nur
kundige, beauftragte Personen. (Den Tod herbeiführen — das kann zweifellos
auch jeder hergelaufene Mörder ohne anderweltlichen Auftrag. Über die Rolle
dieser banalen Vorkommnisse in der keltischen Denkwelt ist gar nichts
auszusagen.)
Todesprophezeiungen, die vielleicht
Todesweihungen sind, werden geäußert von Frauenwesen (Morrigan oder deren
Rabengestalt Bodb, Hexen), mitunter auch von einem Pferd - all diese sind als
Mittelgeister anzusehen (vgl. den Todesengel). Wie andere Mittelgeister stammen
sie aus der schamanistischen Schicht und verkünden vielleicht keinen normalen
Tod, sondern einen Übergang (eine Reise?) in die Anderwelt. Manchmal bewirken
die Wäscherinnen der Nacht selbst das Sterben, indem sie den
Todgeweihten ertrinken lassen. Ihre Beziehung zum Wasser (siehe dazu unten) ist
deutlich. Vielleicht geht dieses Erzählsujet auf eine Gruppe von Frauen
zurück, die an Todgeweihten das Ertränken als dritten Teil des dreifachen
Todes (siehe unten) vollziehen mussten.
Ob auch Druiden den Tod durch Prophezeiung
bewirken konnten, ist fraglich, doch gibt es Anzeichen, dass sie das Sterben
herbeibeschwören konnten. Zu einer solchen Beschwörung gehört zum Beispiel
ein Ritus mit Salz und Erde. Druidinnen sollen die betreffenden Menschen auch
dem Meereswind ausgesetzt haben. Die Herbeiführung des Todes durch vergiftete
Waffen ist wohl mehr als nur eine mittelalterliche Rittergeschichte und deutet
auf einen Tod durch Magie hin.
Sicherlich Druidenwerk war aber der Tod durch
Opferschlachtung. Die Tötung des Opfers wurde in rituell festgelegter Weise
vorgenommen. Die zu opfernde Person bestimmte man durch Los mittels eines
verbrannten Roggen-Gerste-Brotes, wobei sicher nicht die Vorstellung einer
Zufallswahl herrschte, sondern die Annahme, dass im Los die Verfügung der
Anderwelt erkennbar wird. Der Todgeweihte wurde betäubt, dann durch die
Garotte, fast zeitgleich durch das Öffnen der Halsschlagader und drittens durch
Stoßen in eine Wassergrube getötet (Ross). Vielleicht hat man diese Menschen nicht im
üblichen Sinne geopfert, sondern auf eine Reise in die Anderwelt geschickt, von
woher eine Wiederkehr in besseren Zeiten erwartet wurde.
Im Moment des Sterbens löst sich die Seele
vom Körper und muss Gelegenheit haben, das Haus zu verlassen. Sie bedarf nun
eines Führers, welcher ihr aus der Anderwelt gestellt wird. Dieser Psychopompos
ist zum Beispiel als Hund sichtbar, welcher anscheinend die Seele verschlingt.
Der personifizierte Tod (Knochenmann) ist nichts als der Bote des Anaon und
somit Abbild des Psychopompos. Es ist ein zuvor (als letzter) Gestorbener, der
nun den Sterbenden holen muss. Der Totenführer (und er darf nicht verwechselt
werden mit dem Tier, dem Hirsch etwa, das den Lebenden in die Anderwelt lockt)
muss die Seele mitunter über diverse Stationen zu ihrem endgültigen Aufenthalt
führen. Offensichtlich wurde der Verstorbene dabei vom Psychopompos auf den
Rücken genommen und an seinen Bestimmungsort getragen.
DREIFACHER TOD
Mehrfach wird das Sterben als wiederholter
Vorgang dargestellt:
- Muirchertaig wird 1. in Wein ertränkt, 2.
verbrannt.
- Diarmaid wird vom Speer durchbohrt,
ist aber wohl nicht tot; denn er wird
1. verbrannt, ertrinkt 2. in einem Fass
und wird 3. erschlagen.
- Verbrennen, Ertrinken, Hängen ist
die Reihenfolge in einer anderen Überlieferung.
- Lailoken, eine nordbritische Merlinfigur,
wird nach seiner eigenen Voraussage 1. erschlagen, 2. ertrinken und 3. aufgespießt werden.
- Conmor tötet mehrere Frauen auf
verschiedene Weise. Hinweise auf den dreifachen Tod liefern die Todesarten 1.
Hängen, 2. Gift, 3. Erschlagen.
- In einem irischen Märchen bestimmt eine
astrologische Voraussage Todesfälle durch 1. Verbrennen, 2. Ertränken und 3.
Hängen.
- Der archäologische Befund besteht in
einer Moorleiche (ca 60 n. Chr. in Britannien), welche Anzeichen des Todes
durch 1. Erwürgen (Garotte), 2. Ausbluten und 3. Ertränken aufweist, all
dies in Verbindung mit Umständen, die an ein Ritual denken lassen (s. Ross).
Der dreifache Tod ist ein von Druiden
angeordnetes und durchgeführtes Opferritual. Sinn des Opfers war
möglicherweise der Aufbruch zu einer Reise in die Anderwelt, eine Reise, von
der eine bestimmte Wirkung erwartet wurde oder die den Zweck hatte, bedrohte
Geheimnisse oder das gesamte bedrohte Druidenwissen zu retten, bis eine
Wiederkehr in diese Welt möglich war (und damit die Herbeiführung besserer
Zeiten). Nach Ross stehen für die Dreizahl die Weihungen dreier verschiedener
Götterfiguren. Die Todesarten sind aber variabel, wobei Garotte (als Erwürgen
dem Hängen gleich), ertränken und Verbrennen (an Beltain?) die üblichen
Verfahren waren. Das Erschlagen diente lediglich dazu, die Opfer zu betäuben.
Eine andere Art von Menschenopfer (wohl nicht
dreifach) sah vor, die Betroffenen im Baum aufzuhängen und den Vögeln zum
Fraß zu überlassen. Raubvögel, eher noch Rabenvögel, könnten eigens zu
diesem Zweck gehalten worden sein.
ABGETRENNTER KOPF
Der Kopf ist der Sitz des Lebens (nicht
unbedingt identisch mit der Seele, welche ja, zumindest, wenn sie den Leib
verlassen hat, als Vogel oder ähnlich dargestellt wird) und kann als Allegorie
für das Leben gesehen werden. Dementsprechend ist das Abtrennen des Kopfes ein
sicheres Zeichen des Todes. Ein Leib ohne Kopf, ein Leib, der getrennt von
seinem Kopf begraben wird, kann nicht wieder belebt werden. Umherirrende
kopflose Leiber (unseren späteren Gespenster) suchen den verlorenen Kopf.
Deshalb auch wird von besiegten Feinden der Kopf abgetrennt und eigens auf
Pfählen oder in Beinhäusern aufbewahrt, um eine Wiederbelebung zu verhindern.
Denn der abgetrennte Kopf trägt noch Leben.
Dass Bran befiehlt, seinen Kopf abzutrennen,
damit er sterben kann, wo doch wegen des aufsteigenden Giftes sein Ende ohnehin
bevorstand, bedeutet, dass dies die einzige Möglichkeit war, den Kopf nicht mit
dem Körper sterben zu lassen, vom Sterben des Körpers auszunehmen. Die Seele
geht in die Anderwelt, der Kopf kann auf Erden bleiben.
Es kann also zu einer Wiederbelebung kommen,
wenn der Kopf wieder mit seinem Leib zusammengefügt wird. So ist es bei Triphyna:
Ihr wird der abgeschlagene Kopf durch einen Heiligen (ursprünglich also einen
Druiden) wieder aufgesetzt. Ähnlich bei Gwenfrewi, die vom hl. Breuno nach einer
königlichen Vergewaltigung wieder ins Leben geholt wird. In
anderen Fällen sucht der Kopf selbst nach seinem Leib und vereint sich mit ihm.
CuRoi lässt sich im spielerischen Wettbewerb mit Cuchullain den Kopf
abschlagen und bringt sich selbst wieder ins Leben zurück.
Weil der abgetrennte Kopf noch Leben enthält,
ist es sinnvoll oder notwendig, ihn zu erhalten, sei es in einer Schädelkammer,
sei es in Gesellschaft der Lebenden, unter denen er als Ersatz für den
Verstorbenen dienen kann. Dort kann es dann dahin kommen, dass der Kopf
weiterhin spricht und sich beteiligt. So verlangte Finns abgetrennter Kopf
seinen Anteil an den Speisen, Brans abgetrennter Kopf begleitete seine
Gefährten mit Gesang und Gespräch usw. Auch Conaire Mors Kopf sprach
nach dem Tode, sobald man ihm die Kehle mit Wasser benetzt hatte. Sualdans
Kopf ließ sich auch durch einen Unfall, in dessen Verlauf er vom Rumpf gerissen
worden war, nicht daran hindern, weiterhin Warnungen auszusprechen. Der
Geschichtenerzähler Donn Bó verspricht, am folgenden Abend eine
Geschichte zu erzählen. Bevor es dazu kommt, wird ihm aber der Kopf abgetrennt.
Dennoch hält der abgetrennte Kopf das Versprechen. Lomnas Kopf spricht
Verse und beschwört Finn herbei; Mesgregas Kopf spricht zwar nicht, gibt
aber andere Zeichen von Leben: Er wird bei wechselnden Gefühlen rot und bleich.
In Schädelkammern kann man an Samain manche Köpfe sprechen hören.
Stellvertretend für den verstorbenen Conall nahm die Milch aus seinem
Kopf (=der beschwörende Redefluß?) den Ultern die Kindbettschwäche.
Die Prähistoriker wissen, dass spätestens
seit dem Mesolithikum Leichen getrennt von ihren Köpfen bestattet wurden.
KÖPFE AN KETTEN,
SPRINGEND
Ganz rätselhaft sind aber noch die
Darstellungen, wo mehrere, meist kleinere, abgetrennte Köpfe durch Ketten mit
einem größeren Kopf verbunden sind.
Bekannt sind eine Halskette mit sieben anhängenden
Bernsteinköpfen , einige Münzenbilder sowie der Fund in der
Coventina-Quelle: Eine der Göttin Coventina gewidmete Quelle enthielt mehrere
kleine Bronzeköpfe und einen männlichen Schädel. Die Köpfe repräsentieren
das Leben von Verstorbenen und vielleicht diese selbst. Die Ketten, die zum Mund
des größeren Kopfes führen, sind vielleicht Reden (vgl. die Milch von Conalls
Kopf). Einen Hintergrund zu diesen Funden liefert vielleicht die ausführliche
Beschreibung des Gottes Ogmios: Auf einem (einzigen?) Bild erscheint er als
gallischer Herkules mit Löwenhaut, Keule und Bogen, aber zugleich als alter
Mann, kahlköpfig und grau, mit runzeliger, schwarzverbrannter Haut. An dünnen, aus Gold und Bernstein gearbeiteten
Ketten zieht er eine große Menge Menschen an ihren Ohren gefesselt hinter sich her.
Die Kette läuft durch seine durchbohrte
Zungenspitze. Die Menschen folgen ihrem Führer strahlend und freudig . Lächelnd wendet er sich nach ihnen um. Ähnliches findet sich in
einer Darstellung der "Tain": MacRoth sieht unter den
Heerscharen, die auf der Ebene von Meath im Anzug sind, einen Haufen, der
geführt wird von einem schwarzen und schnellen dunklen Mann mit sieben Ketten
um seinen Hals, sieben Mann am Ende jeder Kette. Er schleift diese
siebenmalsieben so, dass ihre Münder gegen den Boden schlagen. Daraufhin machen
sie ihm Vorwürfe und er hört damit auf.
Eine weitergehende Deutung ist nicht in Sicht,
auch nicht im Sinnen einer Allegorie von Leben. Nach M. Harris verweisen um den
Hals gehängte Kopfketten auf rituellen Kannibalismus; diese Deutung mag
zutreffen, doch ist sie zu wenig spezifisch, um den speziellen keltischen
Glauben zu erhellen. Vielleicht gehört hierher die Geschichte von den zwei
Köpfen, die aus der Anderwelt kommen, um einem König etwas zu hinterlassen
oder mitzuteilen.
Diesen Schilderungen und Darstellungen
schließen sich die springenden, hüpfenden oder aufschlagenden Köpfen an, etwa: Suibhne wird von fünf grauen Köpfen verfolgt, die
aneinander krachen, während sie über Straße hüpfen. Vielleicht sind es
abgetrennte Köpfe, die zu ihren Leibern wollen.
KOPF UND WASSER
Einige Geschichten berichten von einem
besonderen Verhältnis zwischen Kopf und Wasser.
Das Wasser wirkt regenerierend oder
wiederbelebend auf einen Kopf oder auch auf ein kopfloses Wesen. Denn wenn man
den Kopf abschlägt, das Blut aus der Halsschlagader in eine Grube rinnen lässt
und den Kopf ins Meer wirft, dann taucht er von dort wieder sprechend oder
lebend auf, so, als wäre das Blut in seinem Kopf durch Wasser ersetzt. (Die
offenbare Sinnlosigkeit des Vorgehens, durch ein umständliches Verfahren einem
Kopf, den man gerade erst abgeschlagen hat, wieder Leben zu verschaffen, zeigt,
dass der ursprüngliche Ritus anders und von einem anderen Sinn gewesen sein muss als diese Überlieferung). Vermutlich hat das Ertränken als dritter Teil
des dreifachen Sterbens (=ins Meer werfen) die Funktion, das Leben des Kopfes zu
erhalten.
Der Kopf eines soeben Verstorbenen, eines
Gehängten oder eines Sterbenden oder durch Entstellung der Überlieferung auch
des Mörders wird heftig von Durst geplagt und muss solange nach Wasser suchen
oder suchen lassen, bis er es bekommt. Erst dann kann er endgültig sterben oder
wird wiederbelebt.
Die Köpfe von Ermordeten werden in eine
Quelle gegeben, von wo sie - mitunter erst nach längerer Zeit - auftauchen und
ihren Mörder verraten und rächen lassen.
In all diesen Fällen - Hinrichtung, Hängen
Mord - haben die Köpfe das Leben nicht bewahrt und müssen es durch die
Aufnahme von Wasser wieder erlangen.
Die Köpfe mancher besonderer Menschen
(später wurden sie zu Heiligen umgedeutet) sind jedoch in der Lage, selbst
neues Leben zu spenden. Werden sie vergraben, so entspringt an dieser Stelle
eine Quelle. Die heilende Quelle von Alesia entstand, als im dritten Jahrhundert
ein Heiliger gemartert wurde; als sein Kopf zu Boden fiel, sprang die heilende
Quelle auf. Ähnlich St. Ludd, St. Winifred in Devonshire oder St. Milburga
in Devonshire.
WEITERE KOPFGESCHICHTEN
Köpfe mit üblen Absichten bewegen sich
hüpfend fort, wobei sie aneinander krachen. Diese Köpfe suchen ihre Leiber
oder sind auf dem Weg in die Anderwelt; vielleicht werden sie dort wegen ihrer
üblen Taten nicht zugelassen.
Bei der rituellen Opfertötung kommt dem Kopf
eine hervorragende Rolle zu: sowohl Garotte, Erwürgen, Hängen wie auch das
Öffnen der Halsschlagader zeigen das. Der Kopf konnte nicht mehr auf der Erde
weiterleben, das Blut, der Sitz des Lebens, wurde ausgelassen, eventuell gegen
Wasser getauscht.
Bekannt ist auch eine Form des Opfers, bei
welcher dem Kopfe gehuldigt wurde. Man kämmte, wusch und bekleidete ihn; vor
ihm kochte man dann Schweine und stellte sie auf. Vielleicht ist dies ein
Zauber, der Erfolg bei der Kopfjagd bewirken soll, wie es ähnlich von Neuguinea
berichtet wird.
Die Erscheinung eines Kopfes wird auch als
Zeichen dafür gesehen, dass soeben bei einem nahestehenden Menschen der Tod
eintritt.
WASSER
Wasser ist typisch für die Ambivalenz
keltischer Begriffe, indem es einerseits für den Tod steht, also den Entzug von
Lebenskraft, zum anderen für die Belebung. Hier soll zuerst seine Bedeutung im
Komplex "Tod" gesehen werden.
Wasser, verkörpert durch Quellen, Brunnen,
Flüsse, Seen und auch durch das Meer ist einer der Zugänge zur Anderwelt. (Dass
das Meer nicht im Zentrum keltischer Vorstellungen zu finden ist, kann als
Nachweis dafür genommen werden, dass sie nicht in den vergleichsweise spät
keltisch gewordenen Randgebieten Europas entstanden, sondern in Mitteleuropa). Bereits in der
Bronzezeit verwendete man Brunnenschächte als rituelle Lager für Wertgegenstände. Tote
schwimmen in Teichen, bevor sie in die Anderwelt eingehen. Tom der Reimer
musste
durch einen Fluss die Anderwelt betreten. Leichname von jungen Leuten
verschwinden im See. Ein Kind, ein Junge, der aus bestimmten Gründen nicht
gewünscht wird, zumeist weil er auf unrechte Weise ins Leben kam (vielleicht
haben wir hier aber auch eine Reminiszenz an Infantizid-Gebräuche) wird auf dem
Weg über einen See oder das Meer wieder hinaus befördert. So verfuhren
- Dana mit Geroid und
- Arianrod mit Dylan;
- Conair Mors Sohn, den Diancecht
unter dem Arm trug, gleitet darunter heraus und ins Wasser;
- Ruodh hat einen Sohn mit einer Frau
unter Wasser, welcher stirbt;
- ein Junge wird aus dem Meer gefischt und
verschwindet wieder darin.
In all diesen Fällen wird der Junge nicht
ertränkt, sondern an die Anderwelt zurück erstattet.
Der Weg durch das Wasser in das Reich des
Todes wiederum ist nicht zu trennen von der Vorstellung, dass die Seelen nach
dem Sterben eine Reinigung durchmachen müssen (und das ist wieder nicht zu
trennen von den Durst-Geschichten, s.o.). Zu diesem Zweck muss für den Sterbefall
sauberes Wasser bereitstehen und das Gesicht des Verstorbenen wird mit Wasser
benetzt (s. aber auch bei KOPF).
Zum See als der Pforte in die Anderwelt führt
auch eine besondere Gestalt, welche anders als die Totenführer einen noch
Lebenden mit Gewalt holen will. In Pferdegestalt, als Kelpie oder unter
einem Namen, der an Meermädchen erinnert: Mourouach, erscheinen sie und
ziehen Menschen unter die Wasseroberfläche, entziehen ihnen also die
Lebenskraft. Weitere Gestalten aus der Anderwelt bevölkern deren Zugang in den
Seen. Zumeist sind es Frauengestalten, welche als Mittelgeister anzusehen sind: Llyn
y fan fach, Keridwen, Morgan, eine Gruppe von neun Frauen, Llasar und seine
Frau. Auch Kühe haben diese Rolle inne, und auch als Schlangen können sie
erscheinen.
Ob die Geschichten von der versunkenen Stadt,
unter denen Ker Is nur die bekannteste ist, auch in diesem Zusammenhang zu sehen
sind, ob sie überhaupt als spezifisch keltisches Thema anzusehen sind -
immerhin sind mindestens 11 Überlieferungen aus der Bretagne, aus Wales,
Schottland, Irland und England bekannt - das ist nicht zu sagen. Ein Wesen mit
anderweltlichen, genauer: Mittelgeist-Zügen verursacht absichtsvoll oder aus
Unachtsamkeit eine Überflutung, welche ein begrenztes Gebiet oder eine Stadt
betrifft. Die Bewohner sind nicht ertrunken, sondern leben im Wasser, das heißt
in der Anderwelt weiter. Die ganze Untergangsmythik ist vielleicht eher als ein
kollektiver Aufbruch in eine Anderwelt-Reise zu deuten.
Weil das Wasser an der Grenze von Leben und
Anderwelt steht, kommt ihm auch Bedeutung für die Voraussage des
Todeszeitpunkts zu. Träume von Wasser künden den Tod an (wie anders die
Freudsche Deutung!), die Anordnung von Zweigen, Klee oder Kleidung auf dem
Wasser leistet das gleiche. Auch hier wieder die Ambivalenz der keltischen
Interpretation: Quellen dienen als Orakel für den positiven oder auch den
negativen Ausgang tödlicher Krankheiten.
BAUM UND TOD
Ähnlich dem Wasser nimmt auch der Baum eine
ambivalente Stellung zwischen dem Leben und dem Tod, der Diesseitswelt und der
Anderwelt ein. Freilich ist der belebende Aspekt klarer als der Todesaspekt.
Im Baumwipfel erscheinen Köpfe von
verstorbenen Liebenden, wie Baile und Aillinn, erscheinen Köpfe
von Göttergestalten wie Erriapus oder Esus. Oder es hängt einer im Baumwipfel,
wie abermals Esus.
Oder jemand steigt in den Baum, um von dort,
nachdem er eine Begegnung mit einem Adler oder einem anderen Vogel hatte, wieder
herabzukommen. Von Lleu Law Gyffes, der entweder als Lug-Gestalt
oder als Mittelgeist anzusehen ist, wird dies berichtet. Im Baumwipfel sitzen
ganze Jenseitsgestalten, wie Suibhne, eine irische Merlinfigur und
Mittelgeist, oder der Rote von Finn, der gleichfalls als Mittelgeist zu
verstehen ist:
Finn begegnet einem Mann in einem Baum, es ist der Rote im Wipfel Sohn des
Leuchtenden, er kann springen, hat eine Amsel auf der Schulter, einen Kessel mit
einem Lachs im Arm und einen Hirsch am Fuße des Baumes, er knackt Nüsse, die
Hälfte der Nuss gibt er jeweils der Amsel, nimmt einen Apfel aus dem Kessel,
gibt die Hälfte dem Hirsch, und alle trinken aus dem Kessel, Finns
Begleiter sehen ihn nicht, weil er eine Tarnkappe (Kapuze) trägt. Sowohl der Lachs wie auch die
(Hasel-)Nuss sind Zeichen des Wissens, der Kessel ist die
Quelle der Anderwelt, Amsel, Apfel und Hirsch stellen ebenfalls Verbindungen zur
Anderwelt her.
In der Gestalt des Roten im Wipfel haben wir ein umfassendes Bild des
Baum-geborenen Schamanen, der über magisches (anderweltliches) Wissen verfügt
und im Verkehr mit der Anderwelt steht.
Es entrollt sich insgesamt das aus dem
eurasiatischen Schamanismus bekannte Bild von der Lebensphase, die im Baum
zugebracht werden muss, von wo der fertige Schamane nach einer Art Neugeburt
herabsteigt. Der Weg in den Baum ist also nicht ein Weg in den Tod, sondern eher
eine Reise in die Anderwelt, von welcher man gewiss wiederkehrt, aber gewandelt
oder mit einer Weihung versehen. Hier setzt der weiter unten besprochene
Wiederbelebungsglaube ein.
Deutlicher wird die Beziehung zum Tode bei der
rituellen Tötung, zu der sich die mit dem Begriff Baum zusammen
überlieferten Stichworte Axt, Blut und Hängen leicht fügen. Die Vögel sind
dann, wie schon oben ("Dreifacher Tod") gezeigt, Raubvögel, welche
den Aufgehängten fressen. Oder sie sind Seelenvögel. Rituelle Tötung wieder
verweist auf die Reise, auf die jemand geschickt wird.
Baum wie Wasser sind offene Übergangsstellen
zwischen Dieserwelt und Anderwelt, und man muss das Sterben überhaupt noch viel
mehr als einen solchen Übergang betrachten und weniger als einen Abgang, wie
wir es gewohnt sind. Der Baum als Todeszeichen wird somit erkennbar in seiner
Funktion als Hinweis auf ein offen stehendes Tor in die Anderwelt. Weiterhin wird
verständlich der Baum als Todesgestalt - aber das gehört bereits in den
Komplex der Wiederbelebungsgeschichten.